Gedenkrede von Konrad Bumes für Walter Schmidt
Liebe Brigitte, liebe trauernde Schachfreunde,
wir sind amputiert worden, haben einen festen Bestandteil unseres Lebens verloren. Wir denken dankbar an unseren Walter, wie wir ihn jahrzehntelang als Schachfreund erleben durften. Der mit uns durch Dick und Dünn ging. Der Vitalität symbolisierte wie ein Stier. Der uns tröstete, wenn es mal nicht so gut für uns lief, der aber auch humorvoll Trost akzeptierte, wenn es mal nicht so gut für ihn lief. Die Zuverlässigkeit in Person, legendär schon zu Lebzeiten. Ein Universalspieler, der jederzeit mit ansteckender Begeisterung in jeder unserer Mannschaften, in jeder Liga spontan einsatzbereit war. Mit Löwenmut in der Regionalliga, mit Gleichmut in der zweiten Mannschaft, mit Demut in der dritten Mannschaft, mit Sanftmut in der Seniorenmannschaft. Seine Erfahrung allzeit im Dienst der Gemeinschaft. Brigitte & Walter, ein Markenzeichen für die Versorgung versunkener Regionalligaspieler, die vor lauter Schach ihren Hunger und Durst vergessen und dann an einem liebevoll gedeckten Tisch verköstigt werden. Auch in großen Einzelturnieren war Walter ein unerschrockener Vertreter seines Vereins. Ich werde nie vergessen, wie er beim OIS 2012 in der ersten Runde einen haushohen jungen Favoriten glanzvoll besiegte --- und dieser daraufhin wütend die nächsten acht Runden und das Turnier gewann.
Wir denken aber auch schmerzvoll an unseren Walter, wie wir ihn in den letzten Jahren entsetzt schwinden sehen mussten. Wie er ganz offen Lebensbilanz zog, und zwar eine positive. Wie er seine fürsorglichen Versorgungsgedanken auf seine verehrte Frau fokussierte. Paradox, wie er bei uns um Verständnis dafür warb, dass es für ihn das Beste sei, ihn gehen zu lassen. Wir, die doch ihn trösten wollten, bekamen Trost und Abschiedshilfe von ihm!
Mit Bangen denken wir auch daran, wie es uns ohne Walter ergehen wird. Zum einen erleben wir bereits aktuell das Knirschen in der Mannschaftsaufstellung. Zum anderen, und vor allem, werden wir auch fertig werden müssen mit unserer eigenen Verwundbarkeit, der Verunsicherung über liebgewordene Anker, der unentrinnbaren Abhängigkeit zwischen Individuum und Gemeinschaft, dem Wechsel von Freudensprüngen und Schicksalsschlägen. So viel hält kein Mensch alleine aus. Darum sitzen wir heute zusammen, noch immer von Walters Großzügigkeit getragen, wir mit Brigitte und Brigitte als Teil von uns.
Wir denken auch daran, was wohl Walter wünschen würde, wie es weitergehen soll. Ich denke, dass er jedem einzelnen von uns weiterhin große Emotionen in unserem geliebten Denksport wünscht. Aber vor allem uns gemeinsam engen Zusammenhalt im Verein und in der Schachgemeinde aller Schichten und Altersgruppen. Gesundheit und Augenzwinkern, wie der Münchner im Himmel. Walter sprach nicht viel über Werte, er lebte sie uns vor, und so wird er mit ihnen weiterleben.
Wir denken auch daran, dass Schach ein meditatives Ritual ist, nicht nur Gehirnjogging, sondern auch Gehirnyoga. Schach hilft unserer Seele, verstörende Situationen zu überleben. Wir können nur hoffen, dass Schach auch über die Benommenheit hilft, die uns ausgerechnet am Heiligen Abend getroffen hat. Liebe Brigitte, wenn Du eine Meditation suchst, bei der Walter garantiert nah ist, dann komm bitte mit in den Schachclub, und wir beobachten Schach in Reinkultur, kristalline Endspiele, ästhetische Miniaturen, verblüffende Singularitäten, Geist statt Materie.
Zu Lebzeiten lehnte Walter Lobeshymnen ab, aber jetzt kann er sich nicht mehr wehren, und das nützen wir aus, weil wir das Ventil für unsere Trauerarbeit brauchen. Lieber Walter, ruhe sanft!
Konrad im Namen aller Deiner Schachfreunde innerhalb und außerhalb des Schachclubs Haar 1931
1. Februar 2020